Vorgeschichte zur diesjährigen Outpost

Nord Afghanistan

Provinz Kunar

  1. Juni 2008

-Prolog-

Eine Staubwolke liegt kilometerweit in der Luft. Dutzende von Humvees schieben sich durch die karge Landschaft Nordafghanistans und wirbeln Staub auf. Die Sonne brennt unerbittlich auf die Fahrzeuge, deren Innenräume sich auf über 40 Grad aufgewärmt haben. Die meisten Klimaanlagen haben bereits kurz nach den ersten Patrouillen den Geist aufgegeben.

Afghan Troops Killed In 'Insider' Attack

Der feine Staub dringt einfach überall ein und zerfrisst langsam aber unerbittlich alles, ob Maschinen oder Menschen. Doch sind es wirklich noch Menschen die in diesen gepanzerten Fahrzeugen sitzen? Umhüllt von schwerer Ausrüstung, Helm, Weste, Schutzbrille, Sturmgewehr. Viel von dem Menschen sieht man kaum noch. Sie sollen funktionieren und ihre Aufgaben erfüllen.

Staffsergeant Green wischte die Gedanken beiseite während er vom Rücksitz aus in die triste Landschaft schaute. Innerlich wie tot zu sein, konnte hier nur von Vorteil sein. Er hasste alles an diesem Land. Die Landschaft, die Menschen, die Hitze am Tag und die Kälte in der Nacht. Der Konvoi passierte eine Herde Ziegen die von ärmlich aussehenden Männern geführt wurde. Unweigerlich stellte sich Green vor, mit seinem Gewehr die Männer zu durchlöchern. 30 Schuss im Magazin – genug um alle von denen direkt in die Hölle zu befördern. Da gehörten sie hin. Alle, ohne Ausnahme! Er konnte es in ihren Gesichtern sehen. Wenn sie könnten, würden sie ohne mit der Wimper zu zucken das Gleiche tun.

Afghan Cashmere Trade Faces Uncertain Future | Architectural Digest

Explosion

Gleich einer selbsterfüllenden Prophezeiung, löste eine IED unter dem Humvee aus der vor ihm fuhr. Die Wucht der Explosion zerfetzte trotz der Panzerung das Fahrzeug. Es mussten mindestens 8 Kilo Sprengstoff gewesen sein. Wahrscheinlich war es eine umgebaute Artilleriegranate. Trümmerteile flogen durch die Luft. Auch die Ziegen wurden von der Explosion erfasst und flogen wie brennende Geschosse durch die Luft. Der Humvee kam zum stehen. Austeigen, Umgebung sichern – Standardvorgehen. Es roch nach geschmolzenem Plastik und gebratenem Fleisch.

I survived being blown up by an IED' | Iraq | The Guardian

Nicht unweit von Green lagen die Überreste von Sergeant Martinez und Private Hux. Martinez war sein Freund gewesen, gestern noch haben sie zusammen Poker gespielt. Green ließ keine Trauer zu, aber die Wut wuchs in ihm. Er sah die Ziegentreiber wie sie teilnahmslos das Geschehen beobachteten. Der eine hielt ein Handy in der Hand. Das wars, dachte sich Green. Zeit,  dass wir denen zeigen, was passiert wenn sie uns töten. Er ging die 30 Meter direkt auf die drei Männer zu. Als er noch 3 Meter entfernt war nahm er ohne etwas zu sagen die Waffe in den Anschlag und drückte ab. Innerhalb von Sekunden durchbohrten die Geschosse die Männer. Sie fielen einfach um. Kein Schreien, keine Regung. Waren sie vielleicht schon innerlich so tot wie Green selbst? Egal, die werden niemandem was tun. Wieder nahm er die Waffe in den Anschlag und drückte ab. So lange, bis das Magazin leer war. Der Captain kam auf ihn zugerannt. Was nun folgte überraschte Green Green. Statt ihn zu fragen was er da tat, ihm vieleicht  sogar die Waffe zu entreißen, klopfte dieser ihm auf die Schulter. Er blickte in die Augen des Captains. Ein Hauch von Mitgefühl war zu erkennen, so als ob er ihm sagen wollte, hättest du es nicht gemacht, hätte ich diese Bastarde erledigt…

Am nächsten Tag befahl der Captain, Green in sein Büro. Green wusste, dass sein Handeln Konsequenzen haben würde. Doch der Captain ließ das Gespräch in eine andere Richtung laufen. Sie scheinen ebenfalls ein Mann zu sein, der tut, was getan werden muss. So einen wie sie brauche ich, frei von Skrupeln und moralischen Vorstellungen, wie wir das Ganze hier handhaben sollten. Wir sind hier nicht im Kindergarten, wir sind in einem Krieg Staff Sergeant. Und in einem Krieg haben wir als Soldaten die Pflicht unsere Kameraden zu schützen. Es definiert uns, wann und warum die Tötung von Menschen ethisch nicht nur gerechtfertigt, sondern auch notwendig sei. Wir als Soldaten sind rechtschaffen und der Sieg in der Schlacht edel. Ich teile sie dem Charlie Squad zu. Handverlesene Jungs, von mir die ähnlich ticken wie Sie und ich. Das mit den Ziegenhirten habe ich bereits geklärt, da wird nichts mehr kommen. Wegtreten!

Die Gedanken in Green kreisten noch eine Zeitlang, als er per Funk zum Tor gerufen wurde. Draußen stand ein älterer Mann allein vor dem Tor. Es war der Vater einer der drei getöteten Männer und gleichzeitig Dorfältester des nahegelegenen Dorfes Andara. Er war sichtlich aufgewühlt und forderte Aufklärung über den Tod seines Sohnes.

Die Sache war noch nicht vorbei …




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