Welcher Stiefel!?! Beratung in aller Ausführlichkeit
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(nachträglich editiert am 06.02.2017 um 17:48 Uhr)

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Haix Nepal Pro

 

Hi Leute,

 

Ich hab euch mal eine ausführliche Beratung zum leidigen Thema Schuhe vorbereitet.

Inhalt:

1.Welcher Schuh für welchen Einsatz?

2.Obermaterial, Innenfutter, Membran

3.Sohlenkonstruktion; Laufsohle

4.Schnürung

5.Pflege

6.Das erste Anprobieren

7.Billig oder Teuer?

 

 

1.Welcher Schuh für welchen Einsatz?

 

Zuerst sollte man sich die Frage stellen, auf welchen Spielfeldern man häufig unterwegs sein wird oder ob man die Schuhe auch bei anderen Freizeitaktivitäten benutzen will.

 

Spielfelder:


Wald, offenes Feld (ohne Gebäude):

- stabiles Schuhwerk für erhöhten Umknickschutz

- z.B.: Kampf-, Trekking- oder Wanderstiefel

 

Gebäude/Ruinen evtl. verfallen (Glasscherben, Bretter...):

- stabile Unterkonstruktion oder gleich mit Durchtrittssicherheit

- z.B.: Einsatzstiefel mit Sicherheitsspezifikation oder Arbeitsstiefel (S3)

 

Spielhallen (sauber, beräumt):

- am Besten leichte und leise Einsatzstiefel

 

!Grundsätzlich sollte man mindestens knöchelhohe Stiefel verwenden um Verletzungen beim Umknicken zu vermeiden!

 



2.Obermaterial, Innenfutter, Membran

 

Die häufigsten Obermaterialien sind Leder, Stoff oder eine Kombination aus beidem.

 

Leder: hauptsächlich wichtig für den Outdoorbereich

 

Glattleder:

- Narbenseite nach außen

- i.d.R. Oberflächengefärbt (schwarz, braun)

- evtl. hydrophobiert, d.h. durch ein spezielles Verfahren wasserdicht gemacht

- unanfällig gegen Schmutz

 

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Glattleder

 

Velourleder:

- unbeschichtete Rückseite nach außen

- raue Oberfläche, daher anfällig für Schmutz

 

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Veloursleder oft bei Wüstenstiefeln

 

Nubukleder:

- geschliffenes Rauleder

- samtige Oberfläche, daher anfällig für Schmutz

- geölt: glatte Oberfläche mit viel „Tiefe“

 

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Nubuk unbehandelt

 

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Nubuk geölt

 

Stoff:

- unempfindlich, leicht und atmungsaktiv

- braucht praktisch keine Pflege → abbürsten/abwaschen reicht aus

- wenn qualitativ hochwertig, dem Leder absolut überlegen

- i.d.R. nicht so formstabil

 

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Arbeitsschuhe aus Obermaterial nichttierischen Ursprungs (aufgrund der Farbe eher ungeeignet für Airsoft)

 

Materialmix:

-verbindet die Stabilität von Leder mit der Atmungsaktivität von Stoff

 

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Materialmix Glattleder/Stoff bei „Jungleboots“

 

Für das Innenfutter gibt es verschiedene Materialien, so z.B. Leder, welches sehr stabil ist, aber langsam trocknet oder Stoff welcher sehr schnell trocknet.

 

Membran:

 

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Haix Nepal Pro mit Membran


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Viele Schuhhersteller setzen auf Gore-Tex

 

Eine Membran ist eine dünne, gestreckte Schicht Polytetraflouroethylen zwischen Obermaterial und Innenfutter, welche atmungsaktiv ist, aber kein Wasser eindringen lässt. Schweiß in Form von Wasserdampf kann entweichen, aber viel größere Tropfen von außen gelangen nicht in den Schuh, so bleiben die Füße schön trocken... in der Theorie. In der Praxis kommt nicht jeder mit „Membranschuhen“ zurecht und der Effekt mit dem Entweichen des Wasserdampfes funktioniert am Besten, wenn es im Schuh 15°C wärmer als draußen ist. Also wenn es 40°C hat, schmilzt man auch in solchen Stiefeln dahin. Ein weiterer Nachteil, ist dass die Membran, falls sie kaputt gehen sollte, nicht mehr repariert werden kann.

Im Sommer sind Stiefel mit hohem Stoffanteil von Vorteil und im Winter welche mit viel Leder.

 

Volllederstiefel ohne Membran werden zwar oft als wasserdicht beworben, sind aber höhstens wasserabweisend, d.h. sie lassen irgendwann Wasser durch (meist an den Nähten). Mit spezieller Pflege kann die Zeit bis zum eindringen verlängert werden aber dazu später mehr.

 

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Bergstiefel der BW mit Membran, man könnte Stunden, Tage... im Wasser stehen und hätte dennoch trockene Füße

 

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Kampfstiefel der BW ohne Membran, schon nach kurzer Zeit werden die Füße nass

 

 

3.Sohlenkonstruktion; Laufsohle

 

Die Sohle ist der Teil der die Verbindung zwischen dir und dem Untergrund herstellt. Die Laufsohle sollte deshalb stark profiliert sein.

 

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verschiedene Laufsohlen von Kampf- Einsatz- und Bergstiefeln

 

Eine weiche Laufsohle bietet guten Grip, läuft sich aber sehr schnell ab. Bei einer harten Sohle ist es genau andersherum.

Ich persönlich bevorzuge Sohlen von Vibram, sie sind rutschfest und halten dennoch sehr lange.

 

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Sohle von Vibram mit Logo (bei zivilen Modellen oft gelb)

 

Die Sohlenkonstruktion ist für die Stabilität und die Ergonomie verantwortlich. Dass man hochwertige Schuhe quasi ganztägig tragen kann, liegt eben an der Dämpfung und dem Fußbett. Dies ist auch ein wichtiger Punkt da, man nur ein Paar Füße hat und es durch schlechte Dämpfung zu Beschwerden in den Knien, dem Rücken und Kopfschmerzen kommen kann.

 

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Dämpfungskeil bei einem Stiefel von LOWA

 

Irgendwann zerfällt der Dämpfungskeil und die Laufsohle bleibt einfach hinter euch liegen, diesen Vorgang nennt man HYDROLYSE und er ist nicht aufzuhalten. Bei der Hydrolyse entweichen die Weichmacher aus der Dämpfung, diese wird spöde und bröckelt ausseinander. Dieses Problem tritt bei Schuhen, die selten getragen werden oder eine lange Zeit gar nicht benutzt werden, eher auf. Billige Schuhe überleben meist gar nicht so lange, hochwertiges Schuhwerk kann einfach neu besohlt werden.

 

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Hier hilft nur noch der Schuhmacher...

 

Ein Geröllschutzrand schützt das Obermaterial zusätzlich im unteren Bereich vor Steinen und anderen Gegenständen.

 

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verschiedene Schutzränder

 

 

4.Schnürung

 

Mit der Schnürung reguliert man, ob ein Schuh bequem sitzt oder unerträglich drückt, sie hält den Fuß im Schuh und wird dennoch am häufigsten falsch gemacht.

 

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die verschiedenen Ösen und Haken an einem gewöhnlichem Stiefel

 

Schnürungen gibt es so viele, wie es Schuhe gibt und es ist fast unmöglich, auf alle einzugehen, deshalb hier die Wichtigsten.

 

2-Zonen-Schnürung:

Diese Art funktioniert nur, wenn ein Klemmhaken (oder eine Klemmöse) vorhanden ist. Um auf Geraden oder bergauf bequem zu laufen, sind die unteren Ösen locker und ab der Klemmöse fester zu schnüren, dabei ist es wichtig, die Ferse nach hinten zu pressen. Bergab ist es genau andersherum. Falls man sehr schmale Knöchel hat, kann man für den perfekten Halt in der Mitte eine Schlaufe machen, dann passen auch Stiefel, die eigentlich zu breit sind.

 

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perfekte Schnürung auf geraden und bergauf

 

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für schmale Füße mit Schlaufe

 

Ösen:

Bei Ösen ist es wichtig, für den perfekten Halt von außen nach innen zu schlaufen. Bei Stiefeln, welche ausschließlich Ösen besitzten, wird die letzte von innen nach außen durchgefädelt, um das Binden der Schleife zu erleichtern. Diverse andere Schnürarten hat „der Düsenflieger“ in seinem Thread bereits aufgezeigt.

 

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einfache Loch- und Ösenschnürung

 

Klemmöse/haken:

Die Klemmöse ist für die 2-Zonen-Schnürung unabdingbar, da sich das Band, wenn es einmal klemmt, nicht mehr verschieben lässt.

 

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gewöhnlicher Klemmhaken

 

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neuartige Klemmöse

 

Tiefzughaken:

Er ist wichtig für den Seitenhalt und die Stabilität im Stiefel. Klemmöse und Tiefzughaken sind oftmals eins.


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der Tiefzughaken sitzt, wie der Name schon sagt, tiefer als alle anderen Haken

 

Laschenfixierung:

Die Laschenfixierung dient dazu, die Zunge in einer mittigen Position zu halten.

 

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diverse Fixierungsmöglichkeiten durch Haken, Schlaufen oder Klett

 

Haken:

Sie dienen dem schnellen an- und ausziehen, da das Band entnommen wird. Haken werden korrekterweise von oben nach unten geschnürt, damit sich die Flexibilät der Senkel bricht und die Schnürung im oberen Teil fester wird.

 

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ein Haken der sich beim schnüren selbstständig verschließt

 

Reißverschluss:

Manche Stiefel besitzen zum bequemen Ein- und Ausstieg einen Reißverschluss. Bei Einsatzstiefeln für Rettungskräfte wird er mit eingeschnürt. Beim „Sidezipper“ sitzt der Reißverschluss, wie der Name schon sagt, an der Seite. Solche Stiefel sind in der Regel nicht wasserdicht, da durch den tief nach unten gehenden Sidezipper ungehindert Wasser eindringen kann. Bei einer eingenähten Lasche können Druckstellen entstehen. Ich persönlich bin kein Fan von Stiefeln mit Sidezipper.

 

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Einsatzstiefel für Rettungskräfte mit eingeschnürtem RV

 

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Modell mit Sidezipper

 

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Stiefel mit Schnellschnürer



5.Pflege

 

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richtig imprägnierter BW Kampfstiefel

 

Die Pflege ist ein wichtiger Punkt, wenn man lange Freude an seinen Schuhen haben will.

 

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wichtige Pflegeutensilien (div. Bürsten, Tücher, Wachse)

 

Pflege Glattleder:

- Schnürsenkel entfernen

- mit Wasser und Schmutzbürste reinigen

- Stiefel langsam trocknen lassen (dazu mit Zeitungen oder Knüllpapier ausstopfen)

- mit einem weichen Tuch Wachspflege auftragen (ich benutzte Pflegemittel auf Bienenwachsbasis)

- besonders die Nähte und Knickstellen behandeln

- Pflegestoffe einwirken lassen

- mit weichem Tuch oder Bürste auspolieren

 

Diese Prozedur sollte man, je nach Beanspruchung, mehrere Male im Jahr wiederholen.

 

Stiefel ohne Membran nahezu wasserdicht machen:

- Schuh im Ofen erwärmen (!nicht wärmer als ca. 35°C, da sich sonst die Sohle lösen kann!)

- Wachs ebenfalls erwärmen (z.B.: in einem Wasserbad)

- Wachs auftragen und so lange wiederholen, bis das Leder nichts mehr aufnimmt

- mit einem Löffel Wachs aufnehmen, via Feuerzeug schmelzen und die Nähte versiegeln (Junkiemethode)

 

Besonderer Glanz:

- statt Bienenwachs Carnaubawachs benutzen und mit einem weichen Tuch auspolieren

- extremen Glanz verspricht die Wasserpolitur

 

Pflege Nubuk und Veloursleder:

Für raue Leder gibt es spezielle Pflegeemulsionen, die aufgesprüht oder aufgetragen werden, leider kenne ich mich damit überhaupt nicht aus.

Mit einer Messingbürste kann man glatte Stellen wieder rau bekommen.

Man kann solche Stiefel auch mit Wachs pflegen, jedoch ändert sich dadurch die Struktur und die Farbe des Leders.

 

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mit Wachs behandeltes Veloursleder wird dunkler

 

Pflege Textil:

Textilschuhe sind lediglich zu reinigen und ggf. mit einem Imprägnierspray gegen Nässe zu schützen.

 

Fehler:

- zu schnelles Trocknen (z.B.: Ofen;Heizung) lässt das Leder spröde und brüchig werden

- Imprägnierspray trocknet das Leder aus → was mit der Pflege eigentlich vermieden werden soll (Wachs übernimmt die Aufgabe des Imprägnierens)

- Lederfett bildet Fettsäuren, welche das Leder auf lange Sicht zerstören, es macht die Oberfläche speckig und ein mit Fett behandelter Schuh wird selbst durch polieren nicht mehr glänzen

- BW-Schuhcreme ist auf Silikonbasis und setzt jede Pore zu (Achtung bei Schuhen mit Membran)

 

Für extrem beanspruchte Schuhe, welche nicht lange halten ist Fett und BW-Creme eine Alternative.

 

 

6.Das erste Anprobieren

 

Am besten probiert man Schuhe im Laden an und kauft nicht „blind“ im Internet. Jeder Hersteller benutzt andere Leisten und deshalb ist z.B. eine 43 nicht immer eine 43. Bei Stiefeln für Outdooaktivitäten sollte man ½ Nummer dazurechen. Es ist ratsam, Schuhe am Nachmittag anzuprobieren, da sich die Füße über den Tag ausgedehnt haben und man sollte auch die Socken tragen, die man später „im Einsatz“ trägt. Nur schnell in die Schuhe reinfahren reicht nicht aus, sie sollten richtig geschnürt werden und man sollte eine Runde gehen, evtl. über einen Parcour. Falls man dennoch im Internet bestellt hat, kann man sie in der Wohnung testen, um den eventuellen Umtausch nicht zu gefährden. Beim ersten Schnüren sollte man drauf achten, dass die Lasche gerade ist, weil sich sonst die Falten prägen und die Zunge dauerhaft, unangenehm schief hängt.

 

 

7.Billig oder Teuer?

 

Diese Frage kann man nicht so einfach beantworten, auf alle Fälle muss ein Stiefel passen und ich finde gerade für Outdooraktivitäten sollten sie auch hochwertig sein.

Wenn man oft spielt oder das Schuhwerk auch anderweitig nutzten will, sollten es in Anbetracht der Langlebigkeit und des eigenen Wohlbefindens (gelenkschonende Dämpfung) eher hochpreisige Modelle sein. Falls man jedoch nur wenige Male im Jahr spielt, kann es natürlich auch ein preisgünstigeres Modell sein.

Ich meine, dass gute Stiefel so >150€ kosten und trage selber hauptsächlich deutsche Marken.

Abraten kann ich nur von „Importmodellen“, die gern als BW-Bergstiefel o.ä. beworben werden, aber von extrem schlechter Qualität sind. Diese Modelle ähneln ihren Vorbildern teilweise stark, sind aber bei weitem nicht so gut. Ein Kampf-, Einsatz- oder Bergstiefel „Made in China“ für unter 100€... spart euch das Geld ;)

Hochwertige Stiefel für wenig Geld tauchen immer wieder in der Bucht (oder ähnlichen Seiten) auf, jedoch kann man die Stiefel meist nicht Umtauschen und man hat keine Garantie (privat zu privat).

 

Danke für's Lesen.

 

Falls ihr noch was ergänzen wollt oder ich irgendwo groben Mumpitz geschrieben hab könnt ihr gern einen Kommentar verfassen.


Die Bilder und der Text sind mein Eigentum!




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